Ich sitze auf dem Fußboden. Es ist 20:15 und im Fernsehen starten die Filme. An Feierabend ist für mich leider noch lange nicht zu denken. Während ich im dunklen Zimmer sitzend darauf warte, dass die Jüngste endlich einschläft, gehen mir die noch offenen To-Dos für diesen nicht enden wollenden Tag durch den Kopf: Spülmaschine anstellen, Wäsche zusammenlegen, Geld an die Frau bei Kleinanzeigen überweisen und unbedingt für die Älteste noch eine Entschuldigung für Sport schreiben. Ihr Husten sollte morgen auf keinen Fall durch die Turnhalle gescheucht werden. Ich seufze und strecke mich kurzerhand auf dem Fußboden aus. Am besten bleibe ich einfach liegen. Heute kann ich nicht mehr und morgen ist auch noch ein Tag.  

Erschöpft. Das bin ich. Soweit habe ich es erkannt. Abends, nach vielen Stunden Erwerbs- und Carearbeit und manchmal schon morgens nach dem Aufstehen. Eine schlaflose Nacht, gefüllt mit Albträumen des Kindes und einem Sturm, der gerade dann um das Haus herumtobt, wenn alle endlich eingeschlafen sind. Ich bin wieder wach. 

Erschöpfung. Was das ist, brauche ich nicht zu erklären, denn alle Eltern kennen sie, diese bleierne Müdigkeit, die in jede Zelle des Körpers kriecht. Phasen der Erschöpfung gehören auf Grund der hohen Belastung leider zum Alltag von Eltern. So lange es Phasen sind und wir gut gegensteuern und uns Pausen einräumen, werden die Phasen hoffentlich mit der Zeit weniger und sind zu ertragen. Kritisch wird es, wenn es nicht nur Phasen der Erschöpfung sind, sondern die Erschöpfung zum Dauerzustand wird. Dann wäre es weise, nach professioneller Unterstützung Ausschau zu halten. Dann sollten wir uns nicht scheuen, ärztlichen Rat einzuholen, ggf. eine Beratung aufzusuchen oder eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Auch eine Mutter-Kind-Kur zu beantragen kann ein guter erster Schritt sein. Es ist auf jedem Fall keinem geholfen, wenn wir einfach immer so weiter machen und irgendwann gar nichts mehr geht. 

Handelt es sich aber um Phasen der Erschöpfung, haben wir in unserem Alltag viele Stellschrauben, die wir drehen können um es gar nicht erst zu einer Dauererschöpfung kommen zu lassen. Was kann uns also helfen, wenn wir abends nicht mehr vom Fußboden aufstehen wollen oder morgens kaum aus dem Bett kommen? 

 

1. Leg dich doch einfach hin - Pausen trotz ToDo Listen

Nach der Geburt unseres ersten Kindes wurde mir gesagt: „Leg dich hin, wenn dein Kind schläft und schlaf auch.“ Gar nicht so einfach, wenn das Kind selten länger als eine halbe Stunde schläft. Bis ich zur Ruhe gekommen war, war die kleine Maus schon wieder hellwach. So begann ich, in der freien halben Stunde schnell ein paar Dinge zu erledigen – einmal ohne Kind auf dem Arm kochen zum Beispiel. Dann wurde unsere zweite Tochter geboren und der Haufen an notwendigen Erledigungen hatte plötzlich die doppelte Größe erreicht: zwei Kinder wickeln, doppelt so viel Waschen, doppelt so viele Arzttermine, doppelte Aufmerksamkeit!? Es gab eine Zeit, da rannte ich nur hin und her. Ein Bedürfnis stillen, dann schnell das andere. Meine Bedürfnisse sah ich nicht mehr. Ich hatte sie irgendwo zwischen Wäschebergen und Babyweinen aus dem Blick verloren. Lange hielt ich so durch. Ich hatte Freude daran, für die Kinder da zu sein. Das war jetzt mein Job und den wollte ich gut machen. Ich machte auch mal Pause und versuchte meinen Alltag so zu strukturieren, dass ich wenigstens einen kurzen Mittagsschlaf machen konnte. Immerhin ein Anfang. 

Allerdings habe ich lange gebraucht, um zu realisieren, dass mir mehr Unterstützung gut getan hätte und ich noch mehr Pausen gebraucht hätte. Je älter die Kinder wurden, desto regelmäßiger wurde unser Tagesrhythmus. Das bot die Chance, regelmäßige Zeiten für mich einzubauen. Jeden Tag eine halbe Stunde NUR FÜR MICH? Ich dachte immer: „Irgendwann richte ich mir diese Zeit ein. Jetzt weiß ich gerade nicht wann und wie.“ Und so blieb die Hannah-Zeit viel zu oft auf der Strecke. 

2. Kein Stress - Alltagsgestaltung mit weniger Eile

Inzwischen bin ich an dem Punkt angekommen, dass ich es mir Wert bin, mich selbst so richtig wichtig zu nehmen. Lange Zeit dachte ich: wie soll ich das denn auch noch schaffen, Zeit für mich einzuplanen? Jetzt denke ich: meine oberste Priorität ist, täglich Zeit für mich zu haben. Denn dann geht es mir besser und davon haben alle etwas. Wenn alle Kinder aus dem Haus sind, gehe ich in den Wald. Weg von schmutzigem Geschirr, Bergen an Listen, dem summenden Laptop der auf meine Aufmerksamkeit wartet und weg von allen anderen Erwartungen. Eine halbe Stunde. Nur für mich. Jeden Tag, an dem es mir möglich ist. Und ich stelle Erstaunliches fest: ich bin ruhiger, hetze nicht mehr so durch den Tag und freue mich auf die nächste Auszeit. Diese Routine tut mir unglaublich gut. Für mich ist es die Kombination aus Ruhe, Bewegung und Natur, die mich auftanken lässt. Für dich kann es etwas anderes sein. Spüre einmal nach. Worauf hättest du Lust? Worauf würdest du dich jeden Tag wieder freuen? Auf ein gutes Buch, eine Runde schwimmen, Schlaf oder eine Tasse Kaffee in einem Café oder auf deinem Lieblingssessel? Eine Zeit für dich. Immer wieder. Denn ich habe festgestellt: Wenn ich sie nur einmal in der Woche einplane, geht sie ständig verloren. Das Kind ist krank, ich bin krank, das Fahrrad muss zur Inspektion gebracht werden, die Freundin braucht Hilfe, die Lehrerin sucht Unterstützung für den Klassenausflug, ich muss heute doch arbeiten.

Eine feste Struktur für Alltage zu haben, hilft mir sehr, auch wenn ich es lange nicht wahr haben wollte. Mit den ganz kleinen Mäusen sah sie so aus: vormittags erledige ich ein paar Dinge im Haushalt und koche ein Essen. Nachmittags ist Zeit zum Spielen und unterwegs sein. Mit älteren Kindern sieht meine Struktur nun so aus: Eine halbe Stunde in den Wald, arbeiten, eine halbe Stunde Hausarbeit, Kinder abholen und den Nachmittag mit den Kids verbringen. Seit ich so strukturiert bin, renne ich nicht mehr nur von A nach B.

Reden, reden, reden - Du bist nicht allein!

Allein wäre ich auf all die guten Ideen, die ich euch hier aufschreibe, nicht gekommen. Sie sind das gesammelte Ergebnis aus vielen Gesprächen mit Freundinnen, einer Frau die mich wunderbar berät, aus Tür und Angelgesprächen vor dem Kindergarten mit anderen Mamas und aus Sprachnachrichten, die ich mir mit meinen Schwägerinnen hin und her schicke. Über Erschöpfung zu sprechen, tut sooo gut. Denn dabei passieren zwei Dinge:

1. Ich stelle in fast jedem dieser Gespräche fest, dass es meinem Gegenüber nicht andres geht. Ich bin nicht allein mit diesem Thema!

2. Wir tauschen Erfahrungen aus und erzählen uns gegenseitig, was im Alltag gut funktioniert. So sammle ich neue Ideen, wie ich gegen meine Erschöpfung angehen kann.

 

 

Daher kann ich dich nur ermutigen. Rede mit anderen darüber, wie es dir geht und lass dich inspirieren.

4. Familien brauchen Netzwerke!

Im letzten Jahr haben wir bei Familienbegleiten viel über Netzwerke für Familien nachgedacht. Wir sind der Meinung, dass die Kleinfamilie wie wir sie aktuell leben, schön ist, aber den Eltern mehr abverlangt, als sie leisten können. Eltern brauchen Entlastung und Unterstützung. Aber wie kann die aussehen, wenn bspw. keine Großeltern vor Ort leben? Wir haben ein paar Punkte erarbeitet und auch selbst erprobt, die wir hier mit euch teilen möchten.

·       Überlegt, welche Menschen ihr in eurem Umfeld für eine Unterstützung anfragen könnt. (Freund*innen, Pat*innen, Nachbar*innen,…)

·       Überlegt, welche ganz konkrete Unterstützung ihr in eurer aktuellen Situation braucht.

(ein warmes Essen einmal in der Woche, eine/n Babysitter*in, eine Person, die einfach ab und zu im Alltag da ist, damit ich nicht 24h/7 allein verantwortlich bin?)

 

·       Scheut euch nicht zu fragen! Je konkreter die Anfrage, desto einfacher wird die Umsetzung.

Zum Abschluss möchte ich noch eine Erfahrung teilen: Es kann so guttun, wenn im Alltag einfach jemand da ist. Jemand, der mit den Kindern spielt, mal eben das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine räumt oder mit mir gemütlich einen Kaffee trinkt und so etwas Ruhe in den stressigen Alltag bringt. So geht es mir, wenn Steffi einmal in der Woche zu uns kommt. Manchmal arbeite ich oder gehe allein in den Wald und manchmal verbringen wir einfach gemeinsam Zeit mit den Kindern. Das ist sooo wertvoll. Fragt eure Freunde für regelmäßige gemeinsame Zeiten an. Das ist von unschätzbarem Wert!

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