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Keine Klassische Touristin: Auf Workation in Afrika

Ich bin aktuell auf „Workation“ in drei Ländern in Afrika – ein bisschen Urlaub, ein bisschen Arbeiten. Während der ersten Woche, in Ruanda, sind wir auf eigene Faust gereist. Seit einer Woche sind wir in Tansania und das Reisen hier ist teils von einem Tour Operator und teils von meinem Onkel vorbereitet worden.
In diesem Blogbeitrag erzähle ich von meinen Erfahrungen und Beobachtungen als eine, die mit klassischem Tourismus nichts anfangen kann.
Eine besondere Spezies: Die Touristen
Ein bisschen ungläubig starre ich auf die unzähligen Jeeps am Straßenrand. Es ist 18:30 Uhr am Abend und wir erreichen Karatu, die Stadt in der Nähe des Eingangs zum Ngorongoro Krater. Die schiere Menge an Autos, die alle exakt gleich aussehen, erschlägt mich fast. 

 

Am nächsten Morgen sehen wir sie wieder. In einer langen Kolonne stehen sie auf der Straße im Krater. Aus den offenen Dächern starren Touristen auf das Nashorn auf ihren Handydisplays und in ihren Kamerasuchern. Es steht fast bewegungslos da und starrt seinerseits auf die Autos, die sich ihm in den Weg stellen. Als sensibles Tier fürchtet es sich vor dem Lärm der Autos, so der Guide. Immer kommt und geht ein Jeep. Denn so spannend es ist, ein Nashorn zu sehen – eine ganz seltene Beobachtung, wie uns unser Guide versichert – so langweilig wird es, wenn es sich nicht bewegt.

Und sowieso: Wenn man schon mal hier ist, will man auch alle der „Big five“ sehen: Elefant, Giraffe, Löwe, Nilpferd und Nashorn. So jagen die Fahrer der Jeeps über die Straßen der Nationalparks von einem „gespotteten“ Tier zum Nächsten. Mir wird klar, was „Staub aufwirbeln“ wirklich heißt.

An den Straßenrändern bedeckt eine rote Staubschicht das Grün der Pflanzen. Die savannenfarbenen Tiere sind im Gras von den savannen- und khakifarben gekleideten Touristen in ihren rasenden Gefährten kaum zu sehen.
Wir sind anders
„Da ist etwas im Busch“, sagen wir und unser Fahrer hält an. Mit Fernglas und dem Zoom der Kamera suchen wir nach der nächsten Bewegung, bis wir erkannt haben, was wir da entdeckt haben. Während wir so einen (angeblich auch äußerst selten zu sehenden) Luchs beobachten, fahren mehrere Jeeps an uns vorbei, halten kurz, können nicht ausmachen, was wir sehen und hetzen weiter. 
Unser Guide schleicht mit uns über die Straßen und hält manchmal unvermittelt an, um uns ein kleines Tier zu zeigen. Für ihn sind es nicht nur die BIG five, die eine Safari ausmachen. Wir sind ganz glücklich darüber und lachen mit ihm über „die Touristen“ und ihren Dresscode, schütteln gemeinsam den Kopf über ihre Ignoranz gegenüber der tansanischen Kultur, wenn wir sie äußerst knapp bekleidet an den Picknickplätzen beobachten und ärgern uns gemeinsam darüber, dass an den Touristen-„Hot Spots“ (wie zum Beispiel den „Hot Springs“ in der Nähe des Killimanjaro) die Preise für Weiße und ihre Guides doppelt und dreifach so hoch sind wie an anderen Orten.
Oder doch nicht?
Und das alles, während wir zu zweit in einem Jeep durch die Gegend gefahren werden, selbst in weiß und beige gekleidet sind und uns einen besonderen Ausflug nach dem nächsten gönnen.
Als wir – wieder einmal nur zu zweit – in einem Boot zum Prison Island vor der Küste Sansibars gefahren werden, überholen wir mehrere andere Boote mit demselben Ziel und ähnlich wenigen Passagieren. Mich erschreckt plötzlich, dass ich mir vor der Reise nur einmal kurz Gedanken darüber gemacht habe, dass Fliegen nicht besonders umweltfreundlich ist. Über die vielen Kilometer und Stunden in Autos und auf Motorbooten habe ich mir keine Sekunde lang Gedanken gemacht. Und das, während mir 10 Minuten „Spazierfahrt“ in Deutschland bereits ein schlechtes Gewissen machen.
Ob die anderen Touristen sich wohl wenigstens darüber Gedanken machen?
Ambivalenz

Ich beobachte die Touristen und die Diskrepanz von touristischem Verhalten zur tansanischen Kultur bei den Safaris fast lieber als die Tiere. Und ich unterhalte mich mit den Guides darüber, um von ihnen zu hören, wie sie den Tourismus sehen. Er sichert ihren Lebensunterhalt und so akzeptieren sie, dass die Touristen anders sind. Die Tatsache, dass in Gesprächen zwischen ihnen immer mal wieder das Wort „muzungu“ (Weiße) in Kombination mit Gelächter auftaucht, lässt mich vermuten, dass sie ihrem Ärger oder Erstaunen auf diese Weise Luft machen.

Selbstbilder

Die Abende unserer als Komplettpaket gebuchten Safari in Tansania verbringen wir in Hotels, die uns in die Bubble der Weißen entführt. So angenehm es ist, dort europäischen Standard vor allem bei den Sanitäranlagen zu bekommen, so sehr irritiert uns diese Bubble und wir fühlen uns in ihr fremd. Unser Selbstbild ist nicht das von „klassischen Touristinnen“. Während unserer Reise durch Ruanda sind wir kaum Weißen begegnet. Statt in einem eigenen Jeep gefahren zu werden, haben wir öffentliche Verkehrsmittel genutzt. Wir sind in den ruandischen Orten und mit unseren ruandischen Bekanntschaften viel sicherer gewesen und viel mehr angekommen als wir es hier in Tansania in der weißen Touristenbubble bisher sind. Die Touri-Läden haben wir in Ruanda nicht gefunden und waren sowieso viel lieber auf den lokalen Märkten unterwegs.

Dass unsere Guides uns hier in Tansania mit auf den Massai-Markt genommen haben und unser Fahrer in Daressalam uns ein typisches Essen gezeigt hat, sind für mich bisher die wirklichen Highlights der Reise. Ich schwanke zwischen dem selbstherrlichen Gedanken, dass sie das bestimmt nicht mit allen Touristen machen und der selbstkritischen Frage, ob sie mich das nicht nur glauben machen, um mir ein gutes Gefühl zu geben. Denn ansonsten distanzieren sie sich von uns, sind ganz klar in ihrer Rolle als Dienstleister.

Motivationen

Die Natur und die Tiere sind schön, aber wegen ihnen bin ich nicht nach Afrika gereist. Langsam wird mir klar, dass meine Motivation ist, die Menschen und ihre Kultur kennenzulernen und ihnen zu begegnen. Als ich im Gespräch mit dem Guide sage, dass mich eine „Familienleben-in-Tansania“-Safari viel mehr interessieren würde, dass das ja aber nicht geht, lacht er herzlich. Ich begreife, dass meine Motivation eher ungewöhnlich ist. Vor allem diejenigen, die eine Safari machen, sind wegen Tieren und vielleicht noch Flora und Fauna hier. Die tansanische Kultur ist etwas zum Anstaunen. Ungeniert werden Fotos geschossen und gepostet, während ich bei jedem Foto an den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen denke und mich frage: Kann und will ich das veröffentlichen? Ich entscheide mich unterschiedlich, mal tue ich es, mal nicht.
Reflexion
Und das macht meine Art zu Reisen gerade aus: Große Ambivalenzen, viel Reflexion, Beobachtung und Gespräch. Mir ist so präsent, dass diese Reise und auch so vieles in meinem Alltag ein riesen Luxus ist, den ich mir als europäische Frau leisten kann und der die Privilegien beweist, die ich habe. Und ich schaue überheblich auf alle herab, die das offensichtlich nicht reflektieren, die mit ihrem „klassischen Tourismus“ den Charakter der Orte verändern, die sie besichtigen wollen. Denn an vielen touristischen Orten kann man zwar afrikanische Kunst finden und afrikanischen Menschen begegnen, die einem etwas über Afrika erzählen (und ich verallgemeinere hier bewusst zu „Afrika“) und einem etwas verkaufen wollen, aber die Dinge, die ich an Afrika bzw. den verschiedenen afrikanischen Ländern liebe, findet man hier an diesen touristischen Orten nicht. 
Ehrliches Reisen

Für mich ist Tourismus deshalb einer dieser -ismen, von denen ich mich so gerne distanzieren möchte. In echt ist sie wohl moralische Überheblichkeit, diese Abgrenzung von „den anderen“. Denn ich frage mich, ob der „klassische Tourismus“ nicht ehrlicher ist als mein Versuch, in kurzer Zeit ein Land „wirklich“ kennenzulernen.

Auch als Backpack-Touristinnen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen, haben wir ja nur einen winzig kleinen Teil des „echten“ Lebens in Ruanda mitbekommen. Selbst nach einem Jahr habe ich die ruandische Kultur nur oberflächlich gekannt. 
Und letztendlich ist mir in meinen Gesprächen immer wieder die Frage gekommen: Welches oder wessen „echtes Leben“ will ich denn kennenlernen? Wie in Europa, wie in Deutschland ist auch hier die Gesellschaft so divers, dass jeder Mensch mir seine eigene, einzigartige Wahrnehmung über sein Land und das typische dazu erzählen könnte.
Und ja, mit diesen Gedanken bin ich vermutlich wirklich keine klassische Touristin, sondern ganz in echt auf Workation: zwar in einem Urlaubsland und die Schönheit hier genießend, aber immer auch am Sozialarbeiten.

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