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Alltag. Das Muster, das Dein Handeln webt.

Du hast einen und ich hab auch einen: Alltag.

Selbst wenn sie vollkommen unterschiedlich sind und man sich eigentlich wundern müsste, dass wir beide denselben Begriff verwenden, um etwas so Verschiedenes zu beschreiben.
 
Mir fällt das zum Beispiel morgens auf. Wenn ich gegen 8 oder 9 Uhr wach werde und dann bis 10 oder 11 Uhr im Bett liegen bleibe, dann denke ich häufig an Eltern, die morgens um 6 oder 7 Uhr oder noch früher von ihren Kindern geweckt werde, dann staune ich darüber, dass mein Alltag so anders ist als ihrer.
Wenn mich jemand fragt, wie mein Alltag aussieht, antworte ich sogar oft: „Alltag gibt es bei mir nicht.“
Denn Alltag bedeutet doch Wiederholungen, Routinen und Regelmäßigkeiten, oder nicht? Ja, schon, aber tatsächlich nicht nur. Oder: Das ist nicht das ausschlaggebende Element für Alltag.
Alltag zeichnet sich durch zeitlich, räumlich und sozial überschaubare Strukturen aus, in denen nicht alles und jedes immer neu begründet werden muss, sondern vieles „halt so ist“.
Jetzt könnte man sagen: „Dann gibt es mit Kindern wohl eigentlich keinen Alltag“, denn für sie muss man ja ständig ganz schön viel begründen. Zumindest in der „Warum?“-Phase. Tatsächlich wird der Alltag von Menschen durch Kinder ziemlich durcheinandergebracht und muss neu sortiert werden. Vieles, was selbstverständlich – also alltäglich – war oder scheint, muss überdacht und neu organisiert werden, wenn man Kinder bekommt. Und eben auch im Alltag mit Kindern überdenkt man vieles immer wieder neu, weil es nicht (mehr) passt.
Gleichzeitig ist genau das der Alltag von Familien: Es muss nicht immer neu begründet werden, warum man Kindern die Welt und die Regeln und Routinen erklärt. Es ist ganz logisch, dass Kinder in der Entwicklung gefördert werden, wenn man ihnen sagt, wie etwas funktioniert. Dass man dafür eine kindgerechte Sprache verwendet, ist Alltag. Dass man Dinge stehen und liegen lässt, weil die Kinder etwas brauchen, ist Alltag. Dass man mit 1000 Anliegen und Bedürfnissen und Terminen jongliert, ist Alltag. Es ist relativ überschaubar, auch wenn es sich manchmal unüberschaubar anfühlt.
Der Clou dabei ist: Menschen machen aus den absurdesten Situationen Alltag. Im Krieg, in Krisen (wie Corona), bei chronischen Krankheiten, in allen möglichen Lebenslagen entwickeln Menschen einen Alltag. Also Routinen, Gewohnheiten, Verstehens- und Handlungsmuster, die aus der Komplexität und Überforderung der Situation etwas Überschaubares machen: sozial, zeitlich und räumlich.
 
Vielleicht hast Du das mit Deinen Kindern auch schon mal erlebt: Sie haben eine Sache genau ein einziges Mal auf eine bestimmte Weise erlebt und schon heißt es „Aber wir machen das doch immer so!“ Ja, genau. Das Verwandeln von Komplexität in Alltäglichkeit, weil das Sicherheit gibt.
Und so entsteht unser Alltag, während wir so handeln, wie wir uns das angewöhnt haben, unseren Routinen und Gewohnheiten entsprechend. Wir weben aus dem Chaos des Lebens mit unserem Handeln ein Muster, das geordnet und strukturiert aussieht, selbst wenn es sich nicht immer so anfühlt. Eigentlich ist es die Gewohnheit des Ordnens, sind es die Muster, nach denen wir aus Chaos Ordnung machen, die aus unserer Überforderung Alltag weben.
Aber gerade weil wir das so gut können – das Chaos in Alltag verwandeln – wird der Alltag manchmal zu etwas, aus dem wir „ausbrechen“ wollen. Alltag bindet uns, schränkt uns ein, hält uns in Mustern gefangen. Zumindest wird so über den Alltag geredet. Und ja, manchmal stimmt das auch. Weil wir etwas einfach machen, weil wir das schon immer so machen, denken wir nicht mehr darüber nach – und machen deshalb manchmal Sachen nur deshalb, weil wir sie schon immer so machen und nicht, weil das sinnvoll ist.
Deshalb ist es gut, über den Alltag gelegentlich mal nachzudenken.
Aber der Alltag ist gleichzeitig etwas Herrliches. Er vereinfacht das Leben. Nicht nachdenken über Begründungen, sondern sagen können: So ist das halt. So machen wir das.
Und so habe auch ich einen Alltag, selbst wenn jeder Tag ein bisschen anders ist. Für mich ist es Alltag, mich schnell umzuorganisieren. „Menschen gehen vor“, habe ich heute bei einem Telefonat gesagt. Das ist eins meiner Handlungsmuster – und eines, das mich manchmal mit meiner Zeitplanung für andere Sachen in Schwierigkeiten bringt. Aber auch das ist Teil von meinem Alltag – dass ich oft später los komme, als ich dachte. So oft, dass andere schon damit rechnen. Ein Teil meines Alltags, über den ich vielleicht noch mal nachdenken sollte.
Wie geht es Dir mit dem Begriff "Alltag"?
Findest Du ihn einengend oder hilfreich?
Oder assoziierst Du etwas ganz anderes?

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